Die Ravensburg im Teutoburger Wald hat einen tiefen, tiefen Brunnen, dessen Eimer durch ein großes Tretrad aufgezogen und niedergelassen werden. Ein mühevolles Werk war es, den Schacht des Brunnens durch das Felsgestein zu graben. Der Sage nach haben das zwei Ritter getan, die von dem Grafen von Ravensberg nach langer, blutiger Fehde besiegt worden waren.
In dem dunklen, schaurigen Burgverließ hielt er sie gefangen. Schon hatten sie alle Hoffnung aufgegeben, wieder befreit zu werden, da meldete ihnen der Kerkermeister eines Tages, dass er ihnen kein Wasser mehr zum Trunke reichen könne. Die Quellen an den Abhängen des Berges seien in der Hitze des Sommers versiegt, die Brunnen in der Umgebung ausgetrocknet, und die gräfliche Familie sei selber durch den Wassermangel in große Not gebracht.
Sofort ließen die Gefangenen dem Grafen melden, dass sie bereit seien, mit eigener Hand einen Brunnen auf dem Burghof zu graben, so tief, dass es ihm niemals an Wasser fehlen werde, wenn er ihnen nach vollbrachtem Werke die Freiheit schenke. Der Burgherr willigte ein. Freudig begannen die beiden das saure Werk. Von der Frühe des Morgens bis zum Scheine des Abendsterns, in Frost und Hitze arbeiteten sie sich durch das harte Gestein. Wenn der Schweiß von der Stirn träufelte und die Hände lasch werden wollten, – so hielt sie die Hoffnung aufrecht, und sie verzagten nicht.
Jahre vergingen. Tiefer und tiefer wurde der Brunnenschacht; noch aber zeigte sich von dem Felsenquell keine Spur. Da, an einem lieblichen Frühlingsmorgen wurden sie noch einmal hinabgelassen in den dunklen Schlund. Gewaltige Hammerschläge dröhnten aus der Tiefe, ein lautes Freudengeschrei folgte nach. Das klarste Wasser sprudelte aus dem Felsen hervor und begann den Brunnen zu füllen. Schnell wurden die Ritter wieder emporgezogen. Die Sonne lachte ihnen freundlich entgegen. Im schönsten Frühlingsglanz breitete sich die Welt vor ihren Blicken aus. Die Bande, die immer noch ihre Füße gefesselt hielten, wurden ihnen gelöst. Mit dem Rufe: „Freiheit! Freiheit!“ stürzten sie einander in die Arme und – sanken leblos zu Boden. Das Übermaß der Freude hatte sie getötet.
Nacherzählt von E. Pohlmann