Auf dem Schlosse Gesmold wohnte vor langen Zeiten ein Herr, der auch in seiner besten Haut nicht taugte. Keinem Menschen gab er ein gutes Wort. Wer ihm entgegenkam, erhielt Schläge mit der Hundepeitsche. Wie ein schwarzes Gewitter guckte er drein und verzog keine Miene zum Lachen. Die Kinder hatten vor ihm Angst. Wenn sie nicht stille sein wollten, rief die Großmutter: „Der tolle Herr kommt!“ Gleich flohen sie in die Ecke und rührten sich nicht.
Der tolle Herr fuhr zu jeder Zeit mit vier schwarzen Hengsten ins Land. Wenn er die Zügel in die Faust nahm, schrie er: „In drei Teufels Namen!“ Der Bauer auf dem Felde und der Bote auf der Straße segneten sich, wenn er vorbeisauste.
Einmal war in Gesmold ein großer Brand. Der Wind drehte sich und trieb die Funken über alle Häuser rund um die Femlinde. Auch die alte Kirche stand in großer Gefahr. Die Flammen schlugen über das Dach, und feurige Zungen beleckten den Turm. An Löschen dachte niemand. Jeder hatte genug an seiner eigenen Not. Da donnerte es vom Schlosse her über die Brücke. Mit seinen vier schwarzen Hengsten kam der tolle Herr und jagte über die Mauer, die rund um den Kirchhof lief. Er stand in seinem Wagen; das schwarze Haar wehte ihm um die Stirn, und die grimmigen Augen glühten. Er rief: „Lasst alles in drei Teufels Namen brennen! Bewacht nur den Tempel hier!“ Mit einem Schlage erlosch das Feuer, als wenn man ein Licht auspustet. – Die Leute wussten nun aber, mit wem es der tolle Herr zu tun hatte, und sie liefen ihm nun erst recht aus dem Wege.
Auf dem Schlosse ging es seit der Zeit her wie in einem Hexenkeller. Am Tage herrschte Totenstille, nachts aber waren alle Fenster erleuchtet. Baßgeige, Violine und Trommel musizierten. Hinter den Fenstern tanzten dunkle Schatten, doch wusste niemand, was für Leute es waren und woher sie kamen. Die Eulen hockten auf der Schlossmauer und lauschten. Wenn sie aber schauerlich jaulten, sagten die Leute: „Nun wird wieder einer lebendig eingemauert. Man erzählte sich, in der hohen Schlossmauer säßen die Leichen Reihe an Reihe, die armen Menschen müssten darin verhungern.
An einem grauen Herbsttag jagte der tolle Herr vom Schloss aus über Oldendorf in die Berge. Wo er gewesen ist, weiß man nicht. Es war spät in der Nacht, als er zurückkam. Vor der Wullbergsheide sagte er zu seinem Kutscher: „Steig ab!“ Der gab ihm die Zügel, und als er absprang, fiel er mit dem Gesicht in den Moorgraben. Er rieb sich die Augen und sah das Gefährt quer durchs Bruch sausen. Drei Irrlichter tanzten voran.
Der tolle Herr stand aufrecht in seinem Wagen und lachte so schauerlich, dass es dem Kutscher kalt über den Rücken lief. „In drei Teufels Namen“, hörte er ihn fluchen. Die vier Hengste sprangen hoch, und dann war es auf einmal totenstill. In demselben Augenblick schlug auf dem Schlosse die Uhr zwölf. Die Irrlichter verglühten im ,,Bucksdiek“. Dort war der tolle Herr mit seinen schwarzen Hengsten zugrunde gegangen.
Wenn aber die rauhen Nächte sind, wenn der Sturm in den Eichenwipfeln heult und der Kauz im Wullberg schreit, dann steigt das Gespann aus dem „Bucksdiek“. Die Hengste schütteln sich das Wasser aus den schwarzen Mähnen, der tolle Herr knallt mit einer glühenden Peitsche und ruft: „In des Teufels Namen!“ Dann geht es im Geistergalopp oben über die Mauern des Gesmolder Kirchhofs und hinein ins Schloss. Einer, der es mit eigenen Augen ansah, ist davon wahnsinnig geworden.
Nach Schulhof