In Küingdorf stand einst die stolze Wasserburg Overkamp, von deren Größe heute nur noch einige Gräben und Mauerreste zeugen. Vor Jahrhunderten lebte auf dieser Burg die Witwe des Ritters von Beesten. Sie besaß einen kostbaren Siegelring, den sie ständig am Finger trug, weil er jedermann gefiel. Die alte Amme, von der sie aufgezogen worden war, hatte ihr von dem Ring mit dem Wappen ihres Geschlechtes erzählt, dass er seinem Besitzer nicht immer Glück, sondern manchmal auch Unglück gebracht habe. Zum Unglück sei er ihren Vorfahren geworden, wenn einer von ihnen sein Herz gar zu sehr an den Ring und andere irdische Güter gehängt habe. Die junge Frau, die leichten Sinnes war, hatte darüber gelacht. Ihr erschien das Leben glücklich, das sie mit ihrem Mann, dem wilden Ritter von Beesten geführt hatte. Und als er beim Würfelspiel, das sie ebenso liebte wie er selbst, tot umsank, ließ sie sich das nicht zur Warnung dienen. Sobald die Trauerzeit um war, fuhr sie wieder zu Fest und Spiel von Burg zu Burg. Und der Spielteufel bekam sie so in seine Gewalt, dass sie Hab und Gut zu verspielen begann. Ihr treuer Verwalter, ein Sohn der alten Amme, sah es mit großer Sorge. Schließlich nahm er sich das Herz und stellte ihr in ehrerbietigen Worten vor, dass sie sich und ihre kleine Tochter um Haus und Hof bringe, wenn sie ihr Leben nicht ändere.

“Es liegt nicht daran, dass ich mich des Lebens freue“, sagte die Rittersfrau und zog den Wappenring vom Finger. „Mir ist klar geworden, dass der Ring meinem Glück entgegensteht. Er hat mir den Mann genommen und bringt mir auch im Spiel Unglück. Aber so wahr es ist, dass ich ihn nie wiedersehen werde, so wahr wird mir jetzt das Glück treu sein.“ Damit trat sie an das Fenster und warf den Ring in das tiefe Wasser des Schlossgrabens.

Der Verwalter war darüber tief erschrocken. Es schien aber, als solle die Frau mit ihrer Voraussage Recht behalten: denn während der nächsten Wochen verlor sie nicht im Spiel. Und die Frau dachte kaum noch an den Ring auf dem morastigen Grunde des Schlossgrabens. An einem Freitag während der Fasten wurde in der Küche ein Karpfen zugerichtet, den der Verwalter gefangen hatte. Im Schlund des Fisches fand die Magd den Siegelring. Der Verwalter, der neben ihr stand, brachte ihn sogleich zu der Rittersfrau.

„Ihr wolltet ihn niemals wiedersehen, Herrin“, sagte er. „Doch der Fisch, den ich für Euch fing, brachte ihn in die Burg zurück. Und ich will ein ehrlicher Mann bleiben. Deshalb muss ich Euch den Ring zurückgeben. Aber ich bitte Euch nochmals: Lasst ab vom Spiel!“

Die Frau nahm den Ring in die Hand und betrachtete ihn lange, bevor sie sagte: „Er soll mir aus den Augen! Wenn er nicht im Burggraben bleiben will, dann setze ich ihn heute abend im Spiel und will ihn verlieren.“

Vergeblich beschwor der Verwalter seine Herrin, nicht mit dem Schicksal zu spielen. In der Nacht verlor die Rittersfrau nicht nur den Wappenring, sondern auch allen Besitz ihres Geschlechtes.

Die Burg erhielt einen neuen Besitzer, der sein eigenes Schloss auf Brinke besaß und die Burg Overkamp verfallen ließ. Die leichtsinnige Witwe des wilden Ritters von Beesten aber lebte noch viele Jahre als arme Frau in einem Kotten auf dem Hofe des Bauern Harre.

W. Fredemnnn.